Nachlese: FairPlusService Forum
Gut besucht war das FAIR PLUS SERVICE FORUM am 2. Februar im eleganten Ambiente des Hilton Garden Inn Wiener Neustadt. Fast 120 Gäste nahmen vor Ort und online an der Veranstaltung teil, die nach zweieinhalb Jahren den Abschluss eines erfolgreichen wie innovativen Projekts markierte: FAIR PLUS SERVICE, das engagierte Unternehmensberatungsprogramm mit dem Fokus auf „Gleichstellung, Frauenförderung und Weiterbildung in Niedriglohnbranchen“. Auch Vertreter*innen der teilnehmenden Betriebe – wie Casa Marienheim, da-ka Hausbetreuung, Eventhaus Greil, kokon Bad Erlach, Koll GmbH, Markas GmbH, Privatkindergarten Elisabeth, Privatkindergarten Zwergenmützchen und Aptiv Mobility Services Austria – sowie von Interessensvertretungen und Organisationen – wie AMS, WKO und WIFI, weiters auch Berater*innen und Interessierte, waren bei unserem FPS-Forum mit dabei und beteiligten sich aktiv am Programm. Außerdem konnten wir auch Vertreter*innen von BMAW, AK, ÖGB-vida, Online- und PrintMedien, FEMtech, deloitte und viele andere online begrüßen.
Innovative Projektidee
Man habe ein Projekt entwickeln wollen, das es in der Form noch nicht gab, so Bibiana Klingseisen, Leiterin der Verwaltungsbehörde des ESF, der das Programm beauftragt und gemeinsam mit dem BM für Arbeit und Wirtschaft finanziert hatte. Aufgrund des strukturell bedingten hohen Gender Pay Gaps in Österreich, sei es das Ziel gewesen, das Arbeitskräftepotenzial für Frauen besser auszuschöpfen und „rasch war klar, wir wollen bei den Unternehmen ansetzen,“ so Bibiana Klingseisen.
Coronabedingt hätten die Anfänge des Projekts 2020 zwar manchmal einer Expedition geglichen, dennoch stieß der neue Fokus „Chancengleichheit“ bei den Unternehmen auf Interesse – auch wenn viele Betriebe sich im Rahmen von FairPlusService überhaupt zum ersten Mal mit Gleichstellung beschäftigten. „Gerade die Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig das Thema ist, denn die Pandemie sollte keinen Rückschritt für Frauen bedeuten“– und wie man sieht, hat es sich ausgezahlt“, zog Bibiana Klingseisen eine positive Bilanz.
Projektziele erreicht
Mit 61 abgeschlossenen Unternehmensberatungen (vor allem in den Branchen Gastronomie und Reinigung), 55 Mitarbeiterinnen-Coachings und 39 Kompakt-Trainings, wurden die Projektziele – „Nachhaltige Erhöhung der Arbeitsmarktchancen für geringqualifizierte Frauen" – definitiv erreicht und das Projekt sehr gut angenommen, so das erfreuliche Résumé von FPS-Projektleiterin Bettina Taranetz. Ermöglicht wurde dies durch die Auftraggeberinnen, die beteiligten Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und durch ein flexibles Top-Team der Projektträger*innen ÖSB Consulting, ABZ*AUSTRIA und update Training, die das Programm österreichweit mit großem Engagement umgesetzt hatten. Trotz vier Lockdowns während der Pandemie konnte mit 96 Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen zum Thema Gleichstellung hervorragend zusammen gearbeitet werden. "Ein wichtiges Resultat sind die von Konsulent*innen und Unternehmen gemeinsam entwickelten 61 Weiterbildungsstrategien, die auch über das Projektende hinaus nachhaltig für Gleichstellung und Entwicklungschancen der in den Unternehmen beschäftigten Frauen wirken", so Taranetz.
Keynotes: Gleichstellung als Zukunftsfaktor
Auf großes Interesse stießen im Zuge der Veranstaltung die Keynotes der Gleichstellungsexpert*innen Rudolf Götz (ÖSB Social Innovation) und Manuela Vollmann (Geschäftsführerin ABZ*AUSTRIA).
Unter dem Titel „Weiterbildungsstrategie und Gleichstellung als Zukunftsfaktor“ begründete Rudolf Götz den hohen Gender Pay Gap neben der hohen weiblichen Teilzeitquote auch mit dem „traditionellen Frauenbild in Österreich.“
Da die Ungleichheit der Geschlechter eine wichtige Dimension der weltweit gestiegenen sozialen Ungleichheit (Stichwort „Working Poor“) sei, seien Gleichstellungsprojekte wie FairPlusService heute wichtiger denn je, so Rudolf Götz. Die ungleiche Verteilung materieller und immaterieller Ressourcen war zuletzt in den 1930er Jahren so hoch wie jetzt“, wies Götz auf eine alarmierende Übereinstimmung hin. Zukünftig werde es weiterhin erforderlich sein, Aufbau von Kompetenzen, berufliche Weiterentwicklung und faire Entlohnung vor allem für Mitarbeiter*innen mit geringer Formalqualifikation zu ermöglichen. Unternehmen benötigen, wie bei der Projektumsetzung von FairPlusService Unterstützung, um z. B. dem Arbeits- und Fachkräftemangel oder hoher Fluktuation strategisch entgegenzusteuern. „Gleichstellung birgt Potenziale für alle Mitglieder der Gesellschaft, so können individuelle Kompetenzen und Ressourcen optimal eingebracht und Chancen genutzt werden, um die Herausforderungen der Zeitenwende zu meistern“, so die Schlussworte von Rudolf Götz.
Die Win-Win-Situation von Gleichstellung für Unternehmen UND Mitarbeiterinnen wiederum betonte Manuela Vollmann (ABZ*AUSTRIA) in ihrem Vortrag mit dem Titel „Die Wirkung von Gleichstellungsprojekten bei Frauen und wie Unternehmen davon profitieren“: „Chancengleichheit und Gleichstellung schaffen Wert für Unternehmen und für Frauen – angesichts des derzeitigen Fachkräftemangels haben viele Betriebe das bereits für sich erkannt. Jedes Unternehmen braucht eigentlich eine Weiterbildungsstrategie. Denn wenn es statt auf das Recruiting auf die eigene Belegschaft schaut und diese höherqualifiziert, wird es genauso profitieren wie die Mitarbeiterinnen.“ Dafür brauche es aber „ein Commitment seitens der Führungsebene, zeitliche und finanzielle Ressourcen sowie die Einbindung der Mitarbeiterinnen und Best Practice.“ Von Frauenförderprogrammen wie FairPlusService hätten Frauen mit geringer Formalqualifikation viele Vorteile: Empowerment, verbesserte Employability und Existenzsicherung sowie folglich Armutsbekämpfung. Unternehmen wiederum könnten sich über mehr Mitarbeiter*innenbindung, geringere Fluktuation und einen vergrößerten Fachkräftepool freuen.
Best Practice Casa Marienheim
Ein weiteres Highlight war die Präsentation des Pflegewohnheims Casa Marienheim, das von FAIR PLUS SERVICE in besonderer Weise profitierte, wie Pflegedienstleiterin Nesija Pejic betonte: „Bei uns sind 90 Prozent Frauen innerhalb der Belegschaft, in niedrigen Lohngruppen, mit Migrationshintergrund und oft noch in der Integrationsphase. Wir haben mit jedem Workshop des FairPlusService Programms gesehen, wie sich unsere Mitarbeiterinnen aus den Bereichen Reinigung und Küche weiterentwickelt haben. Sie haben den Wert ihrer Arbeit zu schätzen gelernt und sich in der Kommunikation mehr zugetraut.“
Schließlich habe Gleichstellung viel mit Empowerment und Stärkung zu tun, stellten die FairPlusService-Beraterinnen Claudia Hauser (ABZ*AUSTRIA) und Bettina Taranetz (ÖSB), die die Unternehmensberatungsmodule und Mitarbeiterinnen-Coachings durchgeführt hatten, übereinstimmend fest.
Spannende Impuls-Workshops
Den Abschluss bildeten 5 Kurzworkshops, die vor allem bei den anwesenden Unternehmer*innen auf großes Interesse stießen, da viel neues Gleichstellungs-Know-how mitgenommen werden konnte. Dazu zählten „Zukunftsorientierte Weiterbildungsplanung für Mitarbeiterinnen (Workshop 1, Erich Mayr), „Employer Branding, die nachhaltige Arbeitgeber*innen-Kompetenz“ (Workshop 2, Susanna Kuncic, ÖSB), „Chance und Aufgabe der Digitalisierung in Niedriglohnbranchen“ (Online-Workshop 3, Bettina Taranetz, ÖSB), „Potenziale der Mitarbeiterinnen erkennen und fördern“ mit dem Fokus auf Empowerment (Workshop 4, Claudia Hauser, ABZ*AUSTRIA) sowie „Zukunftsfähige Unternehmen brauchen Gleichstellung“ (Workshop 5, Manuela Vollmann, ABZ*AUSTRIA).
Fazit
Abschließend konstatierte Beatrice Ulbing (ÖSB) die durch das Event führte, Gleichstellung sei ein unternehmerisches Vorhaben und hänge stark von der Führungsebene ab, inwieweit sie Dinge ermögliche: „Gleichstellung ist heute nicht mehr nur ein Frauenthema, sondern ein Zukunftsthema, das nicht nur die Frauen brauchen, sondern vor allem auch die Wirtschaft – und nicht zuletzt wir als ganze Gesellschaft.“